Sattes Grün, frische Luft, Ruhe: Ein Waldspaziergang ist viel mehr als nur reine Entspannung. Forscher finden stets neue Erklärungen dafür, warum Ausflüge im Wald sich positiv auf Herz, Immunsystem und Psyche auswirken.Warum die Waldluft so gesund ist!
– die Luft im Wald ist so staubarm wie am Meer oder in den Bergen
– durch den Duft – besonders von Nadelbäumen – entstehen Terpene und ätherische Öle – das ist sehr heilsam für die Bronchien
– der Wald nimmt den Lärm (schon 100 Meter vom Waldrand ist der Lärm nur noch halb so stark)
– keine Reizüberflutung
– grün wirkt beruhigend
– höhere Luftfeuchtigkeit
– weniger Wind
– geringere Lichtintensität (insgesamt nicht solche Wetterextreme)
– federnder Boden ist gut bei Gelenk- und Rückenbeschwerden
– alleine der Anblick von Wald heilt (das ist erwiesen!)
– positive Stimmung
Die Seele wird vom Pflastertreten krumm. Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden und tauscht bei ihnen seine Seele um. Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm. Und wer auch kommen mag, sie trösten jeden. (Erich Kästner)
Kaum etwas eignet sich so gut zum Abschalten und Auftanken wie ein Spaziergang im Wald. Er macht den Kopf frei, den Puls ruhig, erfrischt und belebt. Was viele jedoch nicht ahnen: Ein Waldspaziergang vermag viel mehr, als nur der Entspannung zu dienen. In mancher Hinsicht, das belegen Studien, bietet er sogar einen ähnlich großen gesund-heitlichen Nutzen wie schweißtreibender Sport.
Viele Menschen unterschätzen diesen Effekt, da der Energieverbrauch beim Spazieren-gehen nicht so hoch erscheint. Doch wer lange genug unterwegs ist, verbrennt ebenfalls eine Menge Kilokalorien (kcal). Ein 80 Kilogramm schwerer Mensch zum Beispiel ver-braucht auf einer Distanz von vier Kilometern in einer Stunde ungefähr 240 kcal. Legt er die gleiche Strecke joggend in 30 Minuten zurück, verbrennt er etwa 320 kcal, also nur wenig mehr.
Das mag paradox erscheinen. Doch Joachim Latsch vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln hat dafür eine Erklärung: “Beim Gehen macht man etwa doppelt so viele Schritte wie beim Joggen und bei jedem Schritt wird Masse in Bewegung gesetzt.” Das erfordert Muskelarbeit. “Beim Joggen ist die Arbeit pro Schritt zwar größer, aber viele kleine Schritte verbrauchen in der End-summe etwa genauso viel Energie wie wenige anstrengende”, so der Sportmediziner.
Gesunde Stoffe in der Waldluft?
Ein weiterer positiver Nutzen des Gehens: Nur 3000 Schritte täglich mehr genügen offenbar, um das Risiko für Arterienverkalkung – und damit für Herzinfarkt und Schlaganfall – erheblich zu reduzieren. Und dass es durchaus eine Rolle spielt, wo man spazieren geht, konnten vor kurzem koreanische Forscher in einer Studie zeigen: Es scheint gerade die Waldluft zu sein, die dem Herz-Kreislauf besonders gut tut.
Die Mediziner schickten 43 ältere Frauen auf einen einstündigen Spaziergang durch den Wald und 19 durch die Stadt. Vor und nach dem Gang überprüften die Ärzte Blutdruck, Lungenkapazität und Elastizität der Arterien. Bei den Waldspaziergängern war der Blut-druck signifikant gesunken, die Lungenkapazität hatte zugenommen und die Elastizität der Arterien sich verbessert. Keine Unterschiede ergaben hingegen die Messwerte bei den Stadtspaziergängern.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch japanische Forscher in einer Studie mit Hunderten Probanden: Waldspaziergänge senken demnach Blutdruck und Herzfrequenz, zudem ist die Adrenalin-Ausschüttung und damit der Stresspegel niedriger als nach einem Ausflug in der Stadt. Zudem fanden die Wissenschaftler der Nippon Medical School in Tokio heraus, dass das Gehen im Wald offenbar Krebs-Killerzellen aktiviert, und dieser Effekt noch mindestens sieben Tage nach den Spaziergängen anhält.
Bisher sind es nur Vermutungen, doch die Forscher gehen davon aus, dass unter anderem sogenannte Phytonzyden eine Rolle dabei spielen könnten: Pflanzen bilden diese Sub-stanzen, um sich vor Krankheitserregern und Schädlingen zu schützen. Spaziergänger im Wald atmen Phytonzyden ein und profitieren möglicherweise von dem stärkenden Effekt auf das Immunsystem.
Über die Gründe der gesundheitsfördernden Kraft des Waldes wird viel spekuliert. Fakt ist aber, dass Sauerstoff, Ruhe und ätherische Duftstoffe unserem Körper und Geist gut-tun. In Wäldern ist die Luft so staubarm wie sonst nur im Gebirge oder am Meer. Die Konzentration von Staubteilchen beträgt dort nur ein bis zehn Prozent von der in Städten.
Gesteigertes Selbstwertgefühl
Unbestritten ist ebenso, dass Waldspaziergänge zur Entspannung beitragen. Britische Forscher fanden heraus, dass der Effekt bereits nach fünf Minuten an der frischen Luft einsetzt. Zudem steigern der Studie zufolge Waldspaziergänge das Selbstwertgefühl, heben die Stimmung und bauen Stress ab. Die Wirkung verstärkt sich, wenn auf dem Weg ein See liegt oder ein Bach dahinplätschert.
Auch Genesende wissen die wohltuende Atmosphäre des Waldes zu schätzen. In einer Befragung von 355 Reha-Patienten in zehn Kurorten gaben mehr als drei Viertel der Befragten an, dass neben den ärztlichen Bemühungen das Spazieren im Grünen am meisten zu ihrer Gesundung beitrage.
“Waldspaziergänge sind lustbesetzt, keine verordnete oder auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtete Aktivität”, begründet der Natursoziologe und Wanderforscher Rainer Brämer die hohe Sympathiequote. Lust statt Trainingseifer? Vielleicht ist das das Geheimnis des Breitbandmittels Waldspaziergang.
Während die einen in ihren gummibereiften Schuhkartons von A nach B fahren, in Schuhkartons arbeiten und ihre Seele abschmirgeln, flanieren andere durch den Wald, umarmen die Bäume, sprechen mit ihnen und heilen sich gegenseitig. Am Ende wundern sich die Menschen, warum sie eine tödliche Krankheit erlitten haben und landen verfrüht in einem Schuhkarton unter der Erde – die Natur hat sie wieder.
Waldspaziergänge könnte es bald auf Rezept geben. Japanische Forscher entdeckten die positiven Wirkungen von Waldspaziergängen, so dass man jetzt in Fernost eifrig dabei ist, Wälder in Therapiezentren umzuwandeln. Umgewandelte Waldgebiete sollen als Therapiezentren dienen
Eintauchen ins Waldbad
In Japan nennt sich der neueste Therapie-Hit shinrin yoku oder forest bathing, zu Deutsch „Waldbaden“. Neueste Forschungen über die positiven Effekte von einem Spaziergang im Wald haben die Japaner davon überzeugt, dass Wälder Therapiezentren werden sollten. In sog. Outdoor-Kliniken kann man sich nach der üblichen Voruntersuchung zum „Baden“ in den Wald begeben. Damit ist natürlich kein Wasserbad gemeint, sondern das Eintauchen in die Umgebung „Wald“.
Wälder gegen Krebs
Im Jahr 2004 wurden die wohltuenden Auswirkungen des Waldbadens in einem medizinischen Experiment nun auch wissenschaftlich konkretisiert und bewiesen. Gemeinschaftlich hatten die japanische Behörde für Forstwirtschaft, das Forschungsinstitut für Wald und Waldprodukte und das Zentrum für Medizin Nippon eine Studie in die Wege geleitet, mit der die physiologischen Effekte des Waldbadens näher erforscht werden sollten.
Dr. Qing Li, Assistenzprofessor am Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit im Zentrum für Medizin Nippon, fasste begeistert die Resultate dieser Untersuchung zusammen. Spazierengehen im Wald fördere sowohl die Entstehung von drei verschiedenen Anti-Krebs-Proteinen als auch die Bildung ungewöhnlich hoher Mengen natürlicher Killerzellen (NK-Zellen), die ebenfalls dafür bekannt sind, Krebszellen aufzuspüren und diese zu attackieren.
Dr. Li erklärte, dass Pflanzen bestimmte Stoffe – sog. Phytonzide(1) – bildeten, mit deren Hilfe sie sich selbst vor Bakterien und Insekten schützten. Diese Phytonzide würden an die Luft abgegeben. Wenn nun Menschen in der Natur und insbesondere im Wald spazieren gingen und diese Phytonzide einatmeten, dann führte das zu einer deutlichen Vermehrung der NK-Zellen im Körper.
Dr. Li beobachtete zwölf Männer im Alter von 37 bis 55 Jahren, die unter einer starken Stresssituation litten und zum Spazierengehen in den Wald geschickt wurden. Bereits am ersten Tag hatte sich die Aktivität ihrer NK-Zellen um 26,5 Prozent erhöht, am zweiten Tag schon um sagenhafte 52,6 Prozent.
Wälder senken Blutdruck und Puls
In einer weiteren Studie mit 280 Teilnehmern schickte man die Hälfte für einige Stunden in den Wald und die andere Hälfte in die Stadt. Anschließend wurden beide Gruppen untersucht und was stellte man fest? Die Waldmenschen erfreuten sich im Gegensatz zu den Stadtmenschen eines auffallend niedrigen Blutdruckes, eines niedrigen Stresshormonspiegels und eines niedrigen Pulses.
Der bloße Anblick eines Waldes beruhigt und reduziert Stresshormone
Im Wald begegnet man natürlich nicht nur den Phytonziden, die ja eher unbewusst aufgenommen werden. Sobald man den Wald betritt und in das satte Grün der Bäume und Wiesen eintaucht, duftet es nach Blumen, Kräutern und dem feuchten Waldboden. Das Laub raschelt unter den Füßen, Vögel singen, Bäche plätschern, Flüsse rauschen und die Sonne schickt einzelne Strahlen durch das dichte Blätterwerk. Allein das Licht-und-Schattenspiel der Sonne auf den Blättern habe eine ungemein beruhigende Wirkung, so Yoshifumi Miyazaki, der Direktor des Zentrums für Umwelt, Gesundheit und Agrarwissenschaft von der Universität Chiba.
Als Japans führender Wissenschaftler im Bereich der Waldmedizin fand Miyazaki heraus, dass der Stresshormonpegel bei Menschen, die einen Wald nur anschauten, bereits um 13,4 Prozent niedriger war als zuvor. „Wir wurden so geschaffen, dass wir in eine natürliche Umgebung passen“, fasste Miyazaki seine Erkenntnisse zusammen: „Wenn wir uns inmitten der Natur aufhalten, werden unsere Körper wieder zu dem, was sie einmal waren.“
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