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Jun 18

„Mensch-Tier-Verhältnis reflektiert in Malerei und Grafik“: Grandiose Werke von Hartmut Kiewert!

menschtierverhältnis –

… reflektiert in Malerei und Grafik. Zwischen Status quo und Utopie. Herrschaftskritische Perspektiven. Fragend voranmalend.

Die gesellschaftliche Vorstellung von Kultur in Bezug auf das Tier geht von der menschlichen Dominanz aus. Der Mensch beherrscht das Tier in jeder Form, so auch in der Kunst. Davon ausgehend kann eine Darstellung des Tieres in der Kunst immer nur aus menschlicher Sicht  sein. Wäre es anders, müsste das Tier die Möglichkeit bekommen, seine Position darzustellen, wie auch immer die geartet wäre. Eine zeitgemäße Ausstellung zur Thematik kann nicht kritisch genug sein, schon allein um der Kreatur gerecht zu werden, um die es letztendlich auch geht. Inwieweit kann aktuelle Kunst in der Darstellung der Mensch-Tier-Beziehung über ein empathisches Verhältnis hinaus die Hierarchie des Menschen „als Nabel des Universums“ überwinden?

Der Maler und Grafiker Hartmut Kiewert setzt sich in seinen Arbeiten intensiv mit dem gesellschaftlichen Mensch-Tier-Verhältnis auseinander. In dem Buch »mensch_tier« stellt er 74 meist großformatigen Abbildungen seiner künstlerischen Arbeiten seine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema gegenüber und ergänzt diese zu einem klaren Plädoyer für eine ausbeutungsfreie Gesellschaft.

Auf Textebene steigt das Buch mit einer Faktensammlung über die heutige Produktion von Fleisch, Milch & Co ein. Dabei werden auch ökologische und soziale Aspekte heutiger Tierausbeutung aufgezeigt. Im nächsten Teil wird ein grober Abriss der ideengeschichtlichen Entwicklung des (westlichen) Mensch-Tier-Verhältnisses von der Steinzeit bis heute gegeben und die soziale Konstruktion der Kategorien Mensch/Kultur und Tier/Natur herausgestellt. Es folgt eine Vorstellung der wesentlichsten Positionen zum Thema Tierethik bzw. Tierrechte und Antispeziesismus in einer kritischen Betrachtung.
Im letzten Teil finden sich das Plädoyer des Autors für einen anderen Umgang mit nicht-menschlichen Individuen und seine Perspektiven für eine gewalt- und herrschaftsfreie Gesellschaft. Das Buch endet mit einer kurzen kunstgeschichtlichen Selbstverortung der künstlerischen Arbeit.

Auf der Bildebene gibt es eine ähnliche Aufteilung. Angefangen bei der burlesk-satirischen Serie der „Schlachtplatten“ und Fleischlandschaften, bis hin zu komplex aufgebauten großformatigen Arbeiten, welche nach Sinnbildern für heutige Menschen-Tier/Mensch-Natur-Beziehungen suchen, entwickelt der Maler bei seinen jüngeren Arbeiten utopische Perspektiven, in denen nicht-menschliche Tiere den Zuchtvorrichtungen entrückt sind.
Mit seinen Bildern versucht Hartmut Kiewert das Wegschauen, die Absperrung des Bewusstsein gegen die Ausbeutung der Tiere, zu unterwandern. Er reflektiert mit grafischen und malerischen Mitteln die gewalt- und herrschaftsförmige Beziehung des Menschen zum Tier und versucht, neue Perspektiven auf nichtmenschliche Individuen zu schaffen.

 
„In den entscheidenden Zügen sind wir dasselbe wie die Tiere, ja wie alles Lebendige, und mögen uns als sein natürlicher Anwalt fühlen, wie der glücklich befreite Gefangene gegenüber den Leidensgenossen, die noch eingeschlossen sind.“  
― Max Horkheimer         

Hartmut Kiewert, Einige Fakten zum Mensch-Tier-Verhältnis

[spoiler title=“Mensch – Tier – Fleisch … Hartmut Kiewert im Interview“]

the pigs are allright

Vor über einem Jahr berichteten wir über die Fleisch-Ausstellung des Künstlers Hartmut Kiewert in Halle (TIERBEFREIUNG 69). Nach weiteren Ausstellungen in Magdeburg, Tübingen und Berlin sprachen wir mit dem Veganer und Aktivisten über seine Kunst, die Wahrnehmung von Fleisch und Atomkraft.

TIERBEFREIUNG: Wie bist du zur Kunst gekommen?
Im Grunde gibt es dafür zwei Faktoren. Zum einen habe ich schon als Kind viel und gerne gezeichnet und gemerkt, dass mir z.B. räumliches Darstellen sehr leicht fiel, und wollte ganz naiv am liebsten Maler werden, wenn ich mal groß bin. Da kamen dann von Seiten meiner Eltern natürlich die pragmatischen Einwände, dass Kunst doch brotlos sei und ich mir einen Beruf wählen solle, der etwas mit Zeichnen zu tun hat, mit dem man aber auch Geld verdienen kann – also Design oder Architektur z. B. Zwischenzeitlich, also während der Entwicklung vom Kind zum Jugendlichen entdeckte ich mehr und mehr, dass die Welt, so wie sie sich durch Nachrichten darstellte – Umweltzerstörung, Kriege, soziale Ungerechtigkeit – so gar nicht dem, von heute aus würde ich sagen, „Ende der Geschichte“ und der bestmöglichen Gesellschaft entsprach, wie mir von meinem eher konservativen Elternhaus und auch von der Schule beigebracht werden sollte.

Daraus ergab sich dann für mich, dass es keinen wirklichen Sinn macht, einer fremdbestimmten Tätigkeit nachzugehen, die diesen Wahnsinn noch weiter befördert. Ich wollte etwas machen, was mir definitiv Spaß macht. Über ein kurz angefangenes Architekturstudium, bei dem ich schnell feststellte, dass es nicht das ist, was ich machen will, bin ich dann schlussendlich zur Kunst bzw. zum Kunststudium gekommen. Also zum einen der Wunsch nach größtmöglicher (persönlicher) Freiheit, zum anderen eben der schon früh vorhandene Wille zu malen.

TIERBEFREIUNG: Machst du politische Kunst, engagierte Kunst – gibt es da Vorbilder?
Ich bin der Meinung, dass jegliches Verhalten und jegliche Äußerung eine politisch bzw. gesellschaftlich relevante Dimension hat und bin gegen die Separation/Konstruktion einer politischen Sphäre in den Händen von Expert_innen, also Politiker_innen, Lobbyist_innen etc. Zudem verbinde ich mit meiner Kunst bewusst politische Reflexionen. Also ja, meine Kunst ist politisch. Den Begriff der „engagierten Kunst“ mag ich nicht, da in ihm irgendwie etwas Mitleidiges und auch Abwertendes mitschwingt. So wie „oh, der macht engagierte Kunst, ist ja nett gemeint, aber Kunst sollte doch frei sein und nicht vor einen ideologischen Karren gespannt werden“ und „mit Kunst lässt sich doch eh nix ändern“. Ich denke eben nicht, dass irgendeine Äußerung – auch eine künstlerische – unpolitisch sein kann, sie ist nur mehr oder weniger affirmativ und mehr oder weniger bewusst politisch.

Vorbilder oder Wahlverwandte sind für mich z. B. Caravaggio, Eduard Manet, Lucian Freud, Francis Bacon und vor allem Francisco de Goya.

TIERBEFREIUNG: Warst du schon vor deiner Zeit als Künstler als Tierrechtler aktiv?
Nein, eher in anderen Bereichen – Anti-Atom, Anti-Gentechnik, Anti-Militarismus, Umweltbewegung, Herrschaftskritik und Selbstorganisation. Die wirklich verstärkte Auseinandersetzung mit dem Mensch-Tier-Verhältnis ist erst in den letzten drei Jahren passiert. Ich würde mich allerdings auch nicht als Tierrechtler bezeichnen wollen. Ich verstehe zwar die gute Idee, die hinter dem Gedanken des Tierrechts (analog zu Menschenrechten) steht, finde den Begriff des Rechts aber problematisch, da er auf eine das Recht durchsetzende repressive Macht rekurriert. Ich beziehe mich da lieber auf Kritik an Herrschaft und Unterdrückung, aus der sich auch ein Verzicht auf Tier- und Naturausbeutung ableiten lässt.

TIERBEFREIUNG: Wie entstehen deine Bilder?
Ich male mit Ölfarben auf Leinwand oder manchmal auch auf Polyethylen-Planen (gewöhnliche Abdeckplanen für draußen). Bis vor eineinhalb Jahren entstanden meine Bildwelten rein aus der Imagination direkt auf der Leinwand – als Ausgangspunkt gab es meist nur eine ganz vage Bildidee. Neuerdings nehme ich aber auch vermehrt Fotos oder Modelle zur Hilfe, um eine größere malerische Dichte zu erreichen, da sich Details leider nur schlecht aus der Vorstellung imaginieren lassen.

TIERBEFREIUNG: Du beschäftigst dich auf ästhetische Weise mit dem Thema Tierausbeutung. Darf man da von schönen Bildern sprechen?
Ja, warum nicht – teilweise trifft das vielleicht zu. Um mit Marcuse zu sprechen: Die Kunst kann die härtere Wirklichkeit nicht darstellen. Kunst ist damit auch immer ein Akt der Sublimierung, also Verfeinerung – oder Verschönerung. Ich kann und will auch gar nicht mit realen Bildern von Tierausbeutung mithalten. Durch den Vorgang der Sublimierung wird aber, so hoffe ich – und erlebe es in den Reaktionen des Publikums auch immer wieder – ein Zugang zu der Thematik der Tierausbeutung geschaffen, der eben ein anderer, wahrscheinlich aushaltbarer ist als durch unmittelbare Aufnahmen der Realität, mit denen sich die meisten Menschen nicht konfrontieren wollen.

TIERBEFREIUNG: Ständiges Motiv in deinen Werken ist Fleisch. Inwiefern reproduzierst du bestehende Ansichten über Fleisch, inwiefern änderst du die Wahrnehmung?
Ich versuche Fleisch in teils absurde Zusammenhänge zu bringen, teils das abstrakte Stück Fleisch wieder an einen vormalig intakten Organismus rück-zu-koppeln, neuerdings zeige ich aber gerade vermehrt auch körperlich unversehrte Tiere, die ich aus ihren eigentlichen Kontexten (Mastkäfigen/Ställen) in eine völlig andere Umgebung setze, um zu zeigen, dass es auch anders sein könnte und es nicht die „natürliche“ Bestimmung von z.B. Schweinen ist als Wurst zu enden.

Ich sehe Fleisch nicht nur in seiner Unmittelbarkeit als Leichenteil, sondern auch als kulturelle Metapher für Herrschaft im Allgemeinen. Im Grunde fungiert Fleisch als eine Art Ikone für patriarchale Naturbeherrschung.
So gesehen könnten Bilder von Fleisch die Naturbeherrschung und die Überlegenheit des Menschen gegenüber dem Tier als Demonstration von Macht zelebrieren – das passiert ja auch auf vielen Stillleben. Mein Ansatz ist, da durch gezielte Brüche das Gegenteil zu bewirken und die Destruktivität und Hybris des Menschen anzugreifen. Inwiefern das dann auch so rezipiert wird kann ich sicherlich nur bedingt beeinflussen. Ich glaube aber schon, dass die Haltung, die hinter meiner Malerei steht durch die Bilder selbst klar wird.

TIERBEFREIUNG: In letzter Zeit gab es zwei Kongresse über Tiere und Kunst (so das Zoo Werkleitz Festival1 in Halle und Animals and Aesthetics2 in Berlin). Ist das ein neuer Trend?
Nun ja, bei dem einen handelt es sich um ein (eher unkritisches) Kunst-Festival, welches zum Beispiel das Einsperren von Tieren in Zoos nicht hinterfragt. Das andere ist ein (eher kritisch) reflektierter Kongress zum Thema, bei dem unter anderem erörtert wurde, wo es Kulturleistungen und Kunst von Tieren gibt – diese gibt es zweifelsohne – das wurde während des Kongresses auch an vielen Beispielen eindrucksvoll klargemacht.

Ich denke schon, dass sich im Diskurs über das Mensch-Tier-Verhältnis in letzter Zeit einiges getan hat und immer noch tut. Angefangen von Jonathan Safran Foers Bestseller „Tiere Essen“ über diverse Artikel in Zeitungen und Magazinen, Fernseh-Talkrunden und Tierrechts-Kongressen. Ob das ein Trend, eine Mode oder der Anfang eines wirklichen Wandelns ist, wird sich zeigen.

TIERBEFREIUNG: Sind deine Arbeitsmaterialien, Pinsel, Farben, etc. vegan?
Die Öl-Farben sind vegan. Auf Ei-Tempera verzichte ich. Nur die Borstenpinsel sind leider nicht vegan. Es gibt aber seit kurzem auch synthetische Borstenpinsel, die ähnliche Eigenschaften haben. Darauf werde ich umsteigen. Das Problem bei sonstigen Synthetik-Pinseln ist, dass sie nur für sehr feinen Farbauftrag geeignet sind, da sie nicht so viel Farbe aufnehmen können. Es gibt durchaus auch sonst im Bereich der Maltechnik viele Materialien, die nicht vegan sind. Zum Beispiel Knochenleim, der oft als Bindemittel für die Grundierung verwendet wird. Hier kann mensch aber auch Kunstharze verwenden. Die traditionelle Maltechnik beruht allerdings an vielen Stellen auf tierlichen Produkten und es ist manchmal schwer, adäquaten veganen Ersatz zu bekommen, der die gleichen Eigenschaften besitzt.

TIERBEFREIUNG: In deiner theoretischen Arbeit entwickelst du eine herrschaftsfreie Utopie. Wie verbindest du Anarchismus mit Kommunismus?
Anarchismus und Kommunismus als gesellschaftliche Organisationsmodelle sind als Gegenmodelle zur kapitalistischen Ausbeutung verwandt. Konkret gibt es in der anarchistischen Denktradition die Idee des kommunistischen Anarchismus bzw. des Anarcho-Kommunismus. Ich denke, viele sich als libertär oder anarchistisch verstehende Menschen beziehen sich grob auf diese Strömung. Die Utopie einer herrschaftsfreien, gemeinschaftlich organisierten Gesellschaft baut auf gegenseitige Hilfe, Kooperation, der Abschaffung von Staat, Kapital, Privateigentum etc. auf.

Im Gegensatz dazu gibt es das vom Mainstream weit verbreitete Bild zum einen von chaotischen, bombenlegenden Anarchist_innen und zum anderen von indoktrinierten, despotischen Partei-Kommunist_innen. Hier ist es wichtig klarzustellen, dass Anarchie nicht die Herrschaft des Chaos und damit survival of the fittest ist (das trifft eher auf den Kapitalismus zu) sondern die Abwesenheit von Herrschaft und Ausbeutung.
Auf einer vergangenen Biennale in Venedig gab es ein Kunstwerk „Communism never happend“ – das trifft es ganz gut – der Ostblock war nicht kommunistisch, sondern ein planwirtschaftlicher Kapitalismus, mit einem diktatorischen Regime an der Spitze, in dem es immer noch mindestens 2 Klassen gab. Kommunismus meint für mich vielmehr die Abschaffung von Privateigentum und das Leben in gemeinschaftlicher Organisation (der Kapitalismus setzt ja eher auf Vereinzelung und Leben in der Kleinfamilie, was unter anderem auch erklärt, warum es, trotz der gegenwärtigen permanenten Krise, noch nicht geschafft wurde sich effektiv gegen die kapitalistische Ausbeutung zu organisieren und solidarisch zu sein). Ganz praktisch haben wir in unserer WG z. B. Küchenkommunismus. Das heißt, jede_r bringt das in die Küche ein, was sie/er kann und alle dürfen alles benutzen/essen, ohne dass groß hin und her gerechnet werden muss.

TIERBEFREIUNG: Deine Ausstellungen verbindest du stets mit einem Rahmenprogramm aus Vorträgen und Diskussionsrunden. Welche Erfahrungen hast du dabei gesammelt, und stehst du mit anderen Künstler_innen in Kontakt?
Ich finde die Verbindung/ den Austausch verschiedener Gebiete wichtig. Gerade der Bereich der Human-Animal Studies ist ja von Anfang an ein interdisziplinärer. Mir geht es eben darum, den Diskurs über das Mensch-Tier-Verhältnis zu befördern. Kunst kann da ein Bindeglied sein, um verschiedenste Menschen zusammen zubringen, um das Thema zu diskutieren. Bei den Veranstaltungen im Rahmenprogramm meiner Ausstellungen dominiert zwar oftmals schon ein „Szene-Publikum“ aus Antispe-Aktivisten, aber der Rahmen, den eine Kunstausstellung setzt, lädt schon ein breiteres Publikum ein. Der Austausch mit anderen Künstler_innen, die auch zu dem Thema arbeiten, besteht noch kaum. Das liegt vielleicht auch daran, dass sich nicht wirklich viele Künstler_innen mit der Thematik befassen. Die meisten Kontakte, die ich in der letzten Zeit geknüpft habe, sind eher zu anderen Gebieten wie Sozialwissenschaft oder Philosophie. Ich hoffe aber, dass sich das noch auf die Kunst ausweitet.

TIERBEFREIUNG: Du engagierst dich stark in der Anti-AKW-Bewegung und bist derzeit mit einer Gruppe von Leuten wegen einer Kletteraktion während eines Castortransports angeklagt. Mit einer Laienverteidigung geht ihr die Repression an. Kannst du kurz erklären, was das ist und wie das funktioniert?
Repression gegen politischen Aktivismus ist ein Teil der gesellschaftlichen Reaktion auf Aktionen. Die Verhaftungen und das Belegen mit Strafen sollten also in die Aktionsplanung mit einkalkuliert werden.

Aus emanzipatorischer Perspektive ist es wichtig, vor den Repressionsorganen, also vor Polizei und Justiz, nicht eingeschüchtert und unterwürfig zu stehen – das würde nur deren Autorität bestätigen und legitimieren. Ziel sollte sein, die Repressionsorgane als Handlanger und Durchsetzer von Ungerechtigkeit zu entlarven.

Die Idee der kreativen Antirepression, in deren Rahmen sich auch die Laienverteidigung entwickelt hat, setzt auf Subversion und Aneignung des Prozessgeschehens. Voraussetzung hierfür ist, sich eingehend mit dem Ablauf von Gerichtsverfahren und den Handlungsmöglichkeiten, die mensch hat, auseinanderzusetzen. Dadurch kann vor Gericht agiert und nicht nur reagiert werden.
Im Grunde ist das ja absurdes Theater, was da in den Gerichtssälen aufgeführt wird. Mensch soll sich, weil er/sie etwas gegen z.B. menschen- und tierverachtende Atomkraft, Militarismus, Tierausbeutung etc. gemacht hat, vor in seltsamen schwarzen Gewändern, erhöht sitzenden Richter_innen unterwürfig, wie in der Kirche, verhalten und sich schön „im Namen des Volkes“ verurteilen lassen.
Also ein Haufen Unsinn: Zunächst einmal finde ich das jede_r nur für sich sprechen kann und nicht für andere, zum anderen ist die Konstruktion eines „Volkes“ auch sehr fragwürdig. Mich hat ja niemensch gefragt, ob ich nun dem deutschen Volk angehören möchte. Die Konstruktion von abstrakten Kollektiven wie „Volk“ sind vielmehr Herrschaftsinstrumente, um eine große Masse an Menschen dumm zu machen und zu beherrschen. Leider machen das ja die meisten mit. Naja ich schweife ab…

In den letzten Jahren hat sich jedenfalls im Bereich der Umwelt, bzw. Anti-Militarismus Bewegung etc. viel auf dem Gebiet der selbstbestimmten Antirepression getan. Es gab viele Prozesstrainings und mittlerweile gibt es auch einige Leute, die als Laienverteidiger_innen agieren. Das sind meist Leute, die selbst schon einige Erfahrungen mit Prozessen gesammelt haben und sich ganz gut mit dem ganzen formaljuristischen Kram auskennen. Der Nomalfall von Antirepression ist ja häufig: Fresse halten und schön alles den Spezialisten, also Anwält_innen überlassen. Das ist nicht Sinn und Zweck der Laienverteidigung, bzw, der kreativen Antirepression. Natürlich werden auch hier keine Aussagen zur Sache gemacht, aber durch diverse Anträge kann die Gegenseite (also Justiz und z.B. Atomindustrie) angegriffen werden. Weiter ist festzuhalten, dass anders als eine Anwältin/ ein Anwalt, ein_e Laienverteidiger_in nicht vom Gericht anerkannt werden muss. Mensch kann das zwar beantragen – und in unserem konkreten Prozess hat das auch geklappt – der Antrag kann aber auch vom Gericht abgelehnt werden. Das heißt, wiederum anders als bei der Vertretung durch einen Anwalt/eine Anwältin, muss die/der betroffene/Angeklagte auch in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen. Ich habe zum Beispiel viel recherchiert und Beweisanträge formuliert, die die Gefahren von Atomtransporten beweisen. Die Laienverteidigung ist also eine gute Unterstützung, aber mensch muss trotzdem den Prozess aktiv mitgestalten.

TIERBEFREIUNG: Warum machst du eigentlich keine Bilder über/gegen Atomkraft?
Ich habe durchaus schon auch zu dem Thema ein Bild gezeichnet. Und zwar ging es um einen Kunstkalender für das Energieunternehmen enviaM, eine Tochter-Firma von RWE. Ich wurde gefragt, ob ich nicht einen Beitrag zu deren Kalender liefern wollte. Ich fand das spannend und wollte schauen, inwieweit ich mit ein bisschen Subversion eine Kritik an der Atompolitik des Unternehmens anbringen kann. Ich zeichnete also einen Entwurf, auf dem eine Kind mit Schaufel zu sehen war, das sich eine Sandburg in Form eines Atomkraftwerkes gebaut hatte. Im Sand davor stand „die Zukunft strahlt“. Der Kurator des Kalenders versuchte auf mich einzuwirken, diesen Slogan doch wegzulassen. Darauf ließ ich mich allerdings nicht ein. Dies führte dann zum Ausschluss meiner Arbeit. Interessant war auch der Umstand, dass alle Künster_innen ein Interview bekamen, in dem sie über Ihre Arbeit befragt wurden. Ich hatte dafür dann so einiges an üblen Vorfällen bei RWE recherchiert und das dann angebracht. Wäre ich nicht ausgeschlossen worden, wäre das Video-Interview dann bei der feierlichen Vorstellung des Kalenders zu sehen gewesen. Naja – war wohl nicht subversiv genug.
Was ich allerdings etwas erstaunlich fand, war, dass ich scheinbar der einzige Künstler war, der sich kritisch mit dem Unternehmen auseinandergesetzt hatte.
Ansonsten hat sich mein künstlerischer Fokus auf das Thema Mensch-Tier-Verhältnis eben so entwickelt, weil es das (politische) Thema ist, welches mich schon irgendwie seit meiner Kindheit latent beschäftigt. Ein weiterer Punkt ist, dass es über das Thema Atomkraft schon so eine Art gesellschaftlichen Konsens gibt, dass diese schlecht ist. Bei Tierausbeutung ist das Gros der Gesellschaft allerdings noch meilenweit davon entfernt, diese abzulehnen. Da gibt es also noch einiges zu beackern.

TIERBEFREIUNG: Was hast du für das nächste Jahr geplant?
Im März werde ich meine Abschlusspräsentation meines Aufbaustudiums haben. Ich hoffe, dass ich dafür einen geeigneten Ort in Halle finde, wo die Arbeiten auch noch für ein, zwei Wochen zu sehen sein werden. Außerdem werde ich ein veganes Kochbuch illustrieren und layouten. Geschrieben hat es Renate Kratz, die Mutter meiner Freundin. Die Motivation war, all den Leuten eine Art Standard-Kochbuch mit allen bekannten und teils auch exotischen Gerichten in die Hand drücken zu können, die ihre Tochter „bemitleiden“, wenn sie hören, dass sie sich vegan ernährt. Hierfür hat sie viel ausprobiert, um vegane Varianten der ihr bekannten Gerichte auszutüfteln.

Ansonsten muss ich mal schauen, wie ich mich ohne Studierenden-Status finanziell über Wasser halte.

TIERBEFREIUNG: Auf Deiner Website (www.hartmutkiewert.net) hast du einen Shop eingerichtet. Was bietest du dort an?
Zuallererst meinen Katalog (in zweiter Auflage, der inzwischen aber auch über den tierbefreier-Shop und Roots of Compassion erhältlich sein dürfte), T-Shirts, Aufnäher und Buttons mit einfachen Icons, die ich für meine Diplomarbeit gezeichnet habe. Die T-Shirts sind natürlich bio und fair. Allerdings gibt es von den T-Shirts nur noch sehr wenige und mir fehlt gerade das Geld, neue nach produzieren zu lassen.

TIERBEFREIUNG: Kannst du noch etwas denjenigen mit auf den Weg geben, die selbst kreativ sind und was auf die Beine stellen wollen?
Seid kreativ und stellt selbst was auf die Beine! [/spoiler]

Empfehlung zum Thema:
Quelle und weitere Bilder und Infos: http://hartmutkiewert.de/ https://linksunten.indymedia.org/de/node/74722
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