Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, ist eines des Schönsten, woran ich mich gerne zurückerinnere, das Spielen in der Natur. Früher war es üblich, dass wir Kinder für mehrere Stunden täglich draussen spielten.
Aber leider ist es heutzutage etwas, das viele Kinder gar nicht mehr haben. Ihre
Spiele sind nicht mehr in der freien Natur mit anderen Kindern, sondern meist auf einem Smartphone oder Computer. Während sich Großstädte und Vorstädte weiter ausdehnen, wird die Natur immer mehr abgeschottet, und die Kinder scheinen weniger geneigt zu sein, Zeit in einem eingezäunten Hof zu verbringen, geschweige denn, über den Zaun in den Garten eines Nachbarn zu springen oder im Wald zu spazieren. Stattdessen können Indoor-Aktivitäten einfacher, sicherer und noch geselliger für Kinder erscheinen, die mit Multiplayer-Videospielen und Social Media Accounts aufwachsen.
Doch zu einem gewissen Grad fühlen wir uns alle zu der Natur hingezogen. 1993 formulierte der US-Biologe Edward O. Wilson seine Biophilia-Hypothese, laut der uns eine emotionale Verbindung mit der Natur angeboren ist: Menschen, die ihre natürliche Umgebung aufmerksam beobachten, haben einen Vorteil.
Die angeborene Liebe zur Natur hängt eng mit dem Bedürfnis des Menschen nach Natur zusammen. Der Kontakt mit blühenden Gärten, Bäumen, schönen Landschaften wirkt beruhigend und stressabbauend. Eine US-Forschergruppe fand kürzlich heraus, dass Büroangestellte, die regelmäßig Kontakt zur Natur haben, weniger psychische Probleme haben – dafür reichte schon ein Blick in einen Park oder auf eine Zimmerpflanze.
Intuitiv klingen solche Zusammenhänge überzeugend. Doch worauf die gesundheitliche Wirkung genau beruht, ist nur schwer greifbar. Der österreichische Biologe und Buchautor Clemens G. Arvay versucht in seinem jüngsten Buch „Der Heilungscode der Natur“, diese Effekte zu benennen und medizinisch anwendbar zu machen.
Unsere Intuition sagt uns indes, dass wir unser Gefühl, eine Verbindung mit allem Lebendigen „da draußen“ zu haben, ernster nehmen sollten. Noch dazu, wenn uns das gut tut! Zudem würde es uns die Umwelt, mit der wir oft schändlich umgehen, danken: Denn man schützt nur das, was man liebt.
Viele Eltern des 21. Jahrhunderts würden die Biophilia-Hypothese von Edward O. Wilson jedoch in Frage stellen, wenn sie zusehen, wie ihre Kinder eine klare Präferenz für das Sitzen auf einer Couch vor einem Bildschirm gegenüber dem Spielen im Freien zum Ausdruck bringen.
Die allgemeine Befürchtung, dass Kinder zu viel Zeit im Haus verbringen, ist so extrem geworden, dass die Krise einen Namen bekommen hat: Naturdefizit-Störung (NDS)
Es eine Störung zu nennen, könnte nur rhetorisch sein, aber es ist klar, dass Kinder deutlich mehr Zeit drinnen als draußen verbringen. Diese Verschiebung ist weitgehend technologiebedingt: Es wird gesagt, dass das durchschnittliche Kind 4 bis 7 Minuten pro Tag im unstrukturierten Spiel im Freien verbringt, und über 7 Stunden pro Tag vor einem Bildschirm.
Richard Louv, Autor des Buches „Das letzte Kind im Wald: Geben wir unseren Kindern die Natur zurück!„, erzählt die Geschichte eines Interviews mit einem Kind, das ihm sagte, dass es ihm mehr Spaß macht, drinnen als draußen zu spielen ‚weil dort alle Steckdosen sind‘.
Zunehmende elterliche Ängste vor Krankheiten und Gefahren des Spiels im Freien – trotz Beweisen für das Gegenteil – sind ein weiterer großer Faktor.
Warum rausgehen?
Neuere Studien haben den Nutzen – sogar die Notwendigkeit – des Aufenthalts im Freien, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene, aufgezeigt. Einige argumentieren, dass es sich um eine beliebige Außenumgebung handeln kann. Einige behaupten, es müsse eine „grüne“ Umgebung sein – eine mit Bäumen und Blättern. Andere haben noch immer gezeigt, dass nur ein Bild von Grün die psychische Gesundheit fördern kann.
Aber die meisten Studien stimmen darin überein, dass Kinder, die draußen spielen, intelligenter, glücklicher, aufmerksamer und weniger ängstlich sind als Kinder, die mehr Zeit im Haus verbringen. Dr. Pooja Tandon, ein Kinderarzt und Forscher am Seattle Children’s Research Institute sagt, dass Zeit im Freien zu verbringen die geistige, kognitive und körperliche Entwicklung eines Kindes fördert.
Hier sind 7 Gründe warum die Natur gut für Körper und Geist von Kindern ist:
1) Es schafft Vertrauen
Die Art und Weise, wie Kinder in der Natur spielen, hat viel weniger Struktur als die meisten Arten von Indoor-Spielen. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, mit der Natur zu interagieren, vom Hinterhof über den Park bis hin zum lokalen Wanderweg oder See, und wenn Ihr Kind wählen kann, wie es mit der Natur umgeht, hat es die Macht, seine eigenen Handlungen zu kontrollieren.
2) Es fördert Kreativität und Phantasie
Die Natur hilft uns, die Vorstellungskraft zu erhöhen, da sie eine reiche sensorische Umgebung ist. Der unstrukturierte Spielstil ermöglicht es den Kindern auch, sinnvoll mit ihrer Umgebung zu interagieren. Sie können freier denken, ihre eigenen Aktivitäten gestalten und sich der Welt auf erfinderische Weise nähern.
3) Es lehrt Verantwortung
Lebewesen sterben, wenn sie misshandelt oder nicht richtig versorgt werden, und wenn du einem Kind anvertraust, sich um die lebenden Teile der Umwelt zu kümmern, wird es lernen, was passiert, wenn es vergißt, eine Pflanze zu gießen oder eine Blume an ihren Wurzeln herauszuziehen.
4) Es bietet verschiedene Stimulationen
Die Natur mag weniger anregend erscheinen als das Videospiel deines Kindes, aber in Wirklichkeit aktiviert sie mehr Sinne – Sie können Außenbereiche sehen, hören, riechen und berühren. „Da die Jugendlichen immer weniger von ihrem Leben in der Natur verbringen, verengen sich ihre Sinne“, warnt Louv, „und das reduziert den Reichtum an menschlichen Erfahrungen.“
5) Es bringt die Kinder in Bewegung
Die meisten Arten der Interaktion mit der Natur erfordern mehr Bewegung als das Sitzen auf der Couch. Dein Kind muss sich nicht der lokalen Fußballmannschaft anschließen oder mit dem Fahrrad durch den Park fahren – selbst ein Spaziergang bringt seinen Kreislauf in Schwung.
Die „American Heart Association“ sagt, dass die körperliche Aktivität, die mit Spielen einhergeht, ebenso wichtig ist, wie die Gewichtskontrolle, die den Blutdruck senkt, das gute Cholesterin verbessert, das Diabetesrisiko minimiert, das Risiko bestimmter Krebsarten senkt und vor allem das psychische Wohlbefinden verbessert.
Bewegung ist nicht nur gut für den Körper der Kinder, sondern scheint auch ihre Konzentration zu erhöhen, was besonders für Kinder mit ADHS Symptomen von Vorteil ist.
6) Es lässt sie nachdenken
Die Natur schafft ein einzigartiges Gefühl des Staunens für Kinder, das keine andere Umgebung bieten kann. Die Phänomene, die täglich in Hinterhöfen und Parks auftreten, lassen Kinder Fragen über die Erde und das Leben stellen, das sie in ihrer Entwicklung unterstützt.
7) Es reduziert Stress und Müdigkeit
Nach der „Attention Restoration Theory“ erfordern städtische Umgebungen das, was als gerichtete Aufmerksamkeit bezeichnet wird, was uns zwingt, Ablenkungen zu ignorieren und unser Gehirn zu erschöpfen. In natürlichen Umgebungen praktizieren wir eine mühelose Art der Aufmerksamkeit, die als weiche Faszination bekannt ist und Gefühle des Vergnügens und nicht der Müdigkeit erzeugt.
Während also die Bildschirmzeit die einfachere und beliebtere Wahl ist, ist es wichtig, sich Zeit für das Spielen im Freien zu nehmen. Für Spaß und anregende Aktivitäten, die du und deine Kinder in der Natur unternehmen können.
Dafür kann man einige Aktivitäten ganz einfach nach draussen verlegen:
- Lass dein Kind eine Szene im Freien beobachten und lass es dann die Szene detailliert beschreiben und ein Bild dazu malen.
- Nehmt die Mahlzeit mit nach draussen und esst es gemeinsam irgendwo in der Natur.
Lass die Kinder so spielen, wie sie es möchten, ohne ihnen zu sagen, was und wie sie spielen sollen. - Es hilft ihnen bei der Entwicklung.
- Erkunde mit den Kindern zusammen die Gegend. Es wird ihnen helfen, ihre Orientierung zu verbessern.
- Bringe deinem Kind Respekt zur Natur und allen Lebewesen bei.
Laut Statistiken haben Kinder im Durchschnitt nur 4 bis 7 Minuten Spielzeit im Freien pro Tag, was weniger als 30 Minuten pro Woche und 2 Stunden pro Monat entspricht. Die Forschung hat gezeigt, dass es zahlreiche Vorteile für die körperliche Gesundheit und Entwicklung von Kindern bietet, die täglich 2-4 Stunden in der Natur verbringen.
Generell gilt: je länger in der Natur, desto besser. Wir als Eltern sind es unseren Kindern schuldig, sie näher an die Natur zu bringen.
Wir sollten versuchen, mit den Kindern mindestens 2 Stunden täglich in der Natur zu verbringen, von denen ca. 1 Stunde lang eine körperliche Aktivität betrieben werden sollte. Die Zeit vor dem Fernseher oder dem Computer sollte reduziert werden und stattdessen mehr Zeit im Freien verbracht werden.
Schnapp dir deine Kinder und geht in die Natur. Die Vorteile werden nicht nur die Kinder bemerken, sondern auch du! Es gibt draussen so viel zu erkunden.
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