Sich nur über die Lebensmittelindustrie zu ärgern reicht nicht. Wir alle können etwas dafür tun, dass Essen mehr Wert hat als nur seinen Preis. Hier werden Ideen Vorgestellt, wie ein nachhaltiger Umgang mit Nahrungsmitteln aussehen kann.
Eine Handvoll übermächtiger Konzerne kontrolliert die weltweite Nahrungsmittelproduktion – und wir sind ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Das ist die Geschichte, die uns immer wieder erzählt wird und die uns irgendwie auch empört, nur: sie verleitet letztlich dazu, zu resignieren. Klar unterschreiben wir Protestmails und Petitionen an die Konzernspitzen oder die Politik, aber mehr können wir ja doch nicht tun. Oder?
Der Widerstand gegen die Geschäftspraktiken der Konzerne und ganz besonders gegen eine weitere Ausweitung ihrer Macht (Stichwort: TTIP) ist ehrenhaft und notwendig. Doch wir können noch mehr tun, als zu protestieren: wir können ganz aktiv Initiativen unterstützen, die so mit Lebensmitteln umgehen, wie wir es uns eigentlich wünschen:
1) Solidarische Landwirtschaft
Foto: © Kartoffelkominat
Solidarische Landwirtschaft bedeutet: eine Gruppe von Menschen verbindet sich langfristig mit einem Hof, finanziert gemeinsam dessen jährliche Kosten und bekommt dafür im Gegenzug einen Ernteanteil. Finanzielle Sicherheit für den Hof gegen gute Lebensmittel für die Kunden: Nach diesem Modell arbeitet z.B. das Kartoffelkombinat aus München. Genossenschaftsmitglieder bekommen für ihre finanzielle – und freiwillig auch körperliche – Beteiligung jede Woche eine Kiste mit regionalem und saisonalem Bio-Gemüse.
2) Taste of Heimat
Bild: © Taste of Heimat
Dieses Projekt hilft und bringt gleichzeitig die Absurdität unserer Lebensmittelversorgung auf den Punkt: Wir müssen online danach suchen, wo man noch Essen kaufen kann, das in unserer Nähe produziert wurde. Auf tasteofheimat.de kann jeder regionale Lebensmittelanbieter finden und eintragen; eine Karte hilft bei der Suche. Das Projekt ist noch ziemlich am Anfang und kann Unterstützung gebrauchen: jeder der einen guten, regionalen Produzenten kennt, kann sich einfach registrieren und Anbieterprofile erstellen.
3) Essbare Städte
Foto: © Essbares Heidelberg
Brachen und Parks werden zu Gärten: in „essbaren Städten“ werden auf öffentlichen Flächen Obst und Gemüse für alle angebaut. Das organisieren mal engagierte Bürger, mal die Stadt selbst. Dabei geht es um solidarisches und gestalterisches Mitgärtnern, aber auch um das Miternten und –essen: Das Gemüse soll allen Bürgern kostenlos zur Verfügung stehen. Inzwischen gibt es schon etwa 50 essbare Städte in Deutschland, Österreich und der Schweiz, eine Übersicht gibt es hier.
4) Mundraub
Foto: © Mundraub.org
Manche Nachbarn mögen sich um die Ernte von Obstbäumen streiten – und manche Bäume haben gar niemanden, der ihr Obst erntet. Um Verschwendung vorzubeugen und die heimischen Bestände zu fördern, stellt mundraub.org eine Karte zur Verfügung, auf der Obst- und Nussbäume, Beerensträucher und Kräuter im öffentlichen Raum verzeichnet sind. Die Initiative pflueck.org bringt Baumbesitzer, Erntehelfer und soziale Einrichtungen per Onlineplattform zusammen.
5) Slow Food
Foto: © Slow Food Deutschland / Sonja Beyland
Slow Food setzt sich weltweit für den Erhalt einer bewussten Esskultur ein. Der Verein fördert eine verantwortungsvolle, nachhaltige Landwirtschaft und will das traditionelle Lebensmittelhandwerk erhalten. Entscheidend sind dabei Regionalität und Saisonalität, aber auch das Wissen um die Qualität von Lebensmitteln. In Deutschland gibt es inzwischen etwa 80 Regionalgruppen, sogenannte Convivien, denen jeder beitreten kann.
6) Foodsharing
Foto: inkje / photocase.com
Jährlich werden Millionen Tonnen essbarer Lebensmittel weggeworfen. Gegen diese Verschwendung kämpft die Organisation Foodsharing. Auf foodsharing.de kann man übrige Lebensmittel verschenken und finden – oder sie zu einem sogenannten „Fairteiler“ an einem öffentlichen Ort bringen. Foodsharing „rettet“ und verteilt aber auch übrige Lebensmittel von Läden und Restaurants. Mitmachen kann sich jeder, der Lust hat: Damit die „Fairteilung“ der Lebensmittel funktioniert, braucht es engagierte Leute.
7) Etepetete
Dreibeinige Karotten oder krumme Gurken kommen meist gar nicht erst in den Handel, weil sie nicht „schön“ genug sind. Das betrifft rund 40 Prozent allen produzierten Gemüses. „Etepetete“ tut etwas gegen den Schönheitswahn: Das Unternehmen liefert seinen Kunden „hässliches“ Gemüse in einer Gemüsekiste – und reduziert so die Verschwendung. Vielleicht noch besser ist der Nebeneffekt: Etepetete schafft mit seiner Geschäftsidee eine Menge Aufmerksamkeit für das Thema Lebensmittelverschwendung.
8) Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt
Foto: © Timo Stammberger / Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt
Die Tierschutzorganisation engagiert sich gegen industrielle Tierhaltung und für eine vegan-vegetarische Lebensweise. Mit verschiedenen Aktionen schafft sie es immer wieder, auf die Probleme der Massentierhaltung aufmerksam zu machen und die Verbraucher für Alternativen zu interessieren. Vegan-Interessierte finden bei der Stiftung außerdem viele hilfreiche Informationen, Tipps, Rezepte und sogar einen Shop.
Konzerne kontrollieren unsere Lebensmittelversorgung…
Die fünf größten Lebensmitteleinzelhändler Edeka, Rewe, Lidl, Aldi und Metro haben in Deutschland zusammengenommen einen Marktanteil von etwa 90 Prozent. Die Produkte, die sie verkaufen, stammen zu einem großen Teil von einigen wenigen Herstellern wie etwa Nestlé, Unilever oder Danone.
Mit anderen Worten: unsere Lebensmittelversorgung scheint fast vollständig in den Händen einiger weniger Konzernen zu liegen. Das verleiht ihnen immense Macht – nicht nur über das Angebot in den Supermarkt-Regalen, sondern auch über die Produktionsbedingungen, die Inhaltsstoffe unseres Essens und die Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt.
…aber wir können sie auch einfach selbst in die Hand nehmen.
Wir müssen das alles nicht hinnehmen. Denn es gibt mutige Bürger, Initiativen, Projekte, Organisationen und Unternehmen, die einen anderen Weg gehen: Für sie haben Nahrungsmittel einen Wert jenseits vom Verkaufspreis – und sind es darum wert, bewahrt zu werden. Dabei gibt es völlig unterschiedliche Ansätze: Lebensmittel vor dem Müll retten, traditionelle Produktionsmethoden erhalten, regionale Erzeugung fördern…
Viele der Initiativen sind gemeinnützig; bei ihnen kann sich jeder Bürger aktiv beteiligen, beispielsweise die Organisationen Slow Food und Foodsharing. Aber auch Geschäftsmodelle jenseits von Profitmaximierung können einen Beitrag zu einem anderen Umgang mit Lebensmitteln liefern, wie etwa solidarische Landwirtschafts-Betriebe zeigen. Das Ziel ist in jedem Fall: bewusst mit Essen umzugehen und eine andere, nachhaltigere Lebensmittelversorgung mitzugestalten.
Quelle: news.utopia.de / Fotos: © petunyia – Fotolia.com; deyangeorgiev / photocase.com